Die Mission

Porsche arbeitet intensiv an der Vorbereitung der Serienproduktion eines rein elektrisch angetriebenen Sportwagens. Die Konzeptstudie „Mission E“ zeigt, dass ein Porsche auch im Zeitalter der Elektromobilität alle Tugenden besitzt, die Kunden von der Marke erwarten – insbesondere intelligente Performance in Verbindung mit der Alltagstauglichkeit einer Sportlimousine.

Text: Johannes Winterhagen  ___  Fotografie: Urban Zintel

Dieses Auto hat eine Mission. Der Mann, der diese zum Erfolg führen soll, beschreibt sie so: „Porsche entwickelt den Sportwagen der Zukunft.“ Seit Ende 2014 bereitet Dr. Stefan Weckbach (39) diese Mission vor. Der Auftritt des Konzeptfahrzeugs „Mission E“ auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) 2015 war nur die erste Etappe einer langen Reise. Denn Ende dieses Jahrzehnts soll die Serienfertigung des ersten rein elektrisch angetriebenen Porsche beginnen.

Noch sind auf dem Weg vom Konzept zur Serie viele Details zu klären. Dennoch ist der „Mission E“ ein Versprechen: Auch im Zeitalter der Elektromobilität ist ein Porsche ein echter Porsche. Er sieht aus wie ein Porsche, und er fährt sich wie ein Porsche. „Wir machen da keine Kompromisse“, so Weckbach.

„Bei vielen der heutigen Elektrofahrzeuge nimmt die Leistung bei starker Beschleunigung nach sehr kurzer Zeit ab – das ist für Porsche undenkbar.“

___ Dr. Stefan Weckbach, Leitung Baureihe Battery Electric Vehicle (BEV)

Deshalb steht beispielsweise ein Porsche typisches Performance-Thema im Lastenheft ganz oben: In weniger als acht Minuten muss der „Mission E“ den Nürburgring umrunden. Ein vollwertiger Viersitzer wohlgemerkt, der zugleich eine uneingeschränkt alltagstaugliche, batterieelektrische Reichweite von mindestens 500 Kilometern bietet. Neuland nicht nur für Porsche, sondern auch für Elektrofahrzeuge an sich. Und doch nicht ganz: „Wir arbeiten seit 2009 an der Elektrifizierung unserer Fahrzeuge“, sagt Weckbach. „Mit dem Panamera S E-Hybrid1 hat Porsche 2013 den ersten Plug-in-Hybrid in Serie gebracht. Dabei haben wir viel Erfahrung gesammelt, die heute hilfreich ist.“

Der Verzicht auf den Verbrennungsmotor bedeutet jedoch auch: vieles ganz anders zu machen, neue Wege zu gehen. Zum Beispiel bei der Batterie. Um die hohe Reichweite zu garantieren, ist sie deutlich größer und schwerer. Damit das bei schneller Kurvenfahrt nicht zum Nachteil wird, ist die Batterie über den kompletten Fahrzeugboden zwischen den Achsen verteilt. Dadurch liegt der Schwerpunkt sportwagentypisch nah am Asphalt. Vor allem aber arbeitet die Batterie mit einer elektrischen Spannung von 800 Volt – mehr als doppelt so viel wie bei heutigen Elektrofahrzeugen. Steigt nämlich die Spannung, fließt bei gleichem Strom mehr Energie durch die Adern (vulgo: die Kabel). Besonders wichtig ist das beim Nachladen: In rund 15 Minuten tankt der „Mission E“ ausreichend Energie für weitere 400 Kilometer. In der heimischen Garage hingegen ist Ladekomfort wichtiger als -geschwindigkeit. Daher soll der „Mission E“ auch per Induktion geladen werden können. Dabei sorgt eine Magnetspule unter dem Fahrzeug für den Energiefluss, sodass der Fahrer künftig nicht mehr mit einem Ladekabel hantieren muss.

Auch bei einem Elektrofahrzeug entscheidet der Motor über die Performance. Porsche setzt auf permanent erregte Synchronmotoren, die eine besonders hohe Leistungsdichte besitzen und auf der Technologie des 918 Spyder2 und des 919 Hybrid beruhen. Vor allem aber werden die Motoren so ausgelegt, dass auch längere Strecken mit hoher Geschwindigkeit zurückgelegt werden können. „Bei vielen der heutigen Elektrofahrzeuge nimmt die Leistung bei starker Beschleunigung nach sehr kurzer Zeit ab“, erläutert Weckbach. „Das ist für Porsche undenkbar.“ Dem Leistungsverlust soll unter anderem ein ausgeklügeltes Konzept für die Motor- und Batteriekühlung entgegenwirken.

Wer hinter dem Lenkrad des „Mission E“ Platz nimmt, spürt von der raffinierten Technik zunächst nichts. Das Cockpit ist strikt aufs Fahren ausgelegt – schnörkellos, ablenkungsfrei. Im Blick hat man fünf digitale Rundinstrumente in einem freistehenden Display, die über organische Leuchtdioden einen 3-D-Effekt erzeugen. Eine weitere Weltneuheit ist der „Eyetracker“: Eine Kamera im Innenraum beobachtet kontinuierlich die Blickrichtung des Fahrers. Schaut er auf ein bestimmtes Instrument und aktiviert eine Taste am Lenkrad, so öffnet sich das entsprechende Menü, welches dann über das Lenkrad bedient wird. Ein Auto eben, bei dem nichts mehr vom Fahrerlebnis ablenkt.

Stefan Weckbach und seine Kollegen kommen bei ihrer Mission gut voran; schon bald werden Baumuster des Elektroantriebs und der Hochvolt-Batterie in ersten Prototypen, sogenannten Aggregateträgern, getestet. Die Serienversion soll noch in diesem Jahrzehnt vom Band laufen – nicht irgendwo, sondern im Porsche Stammwerk Zuffenhausen. Spätestens dann steht das Herz der Marke unter Strom.

1 Porsche Panamera S E-Hybrid Kraftstoffverbrauch in l/100 km kombiniert 3,1; Stromverbrauch in kWh/100 km kombiniert 16,2; CO2-Emissionen in g/km kombiniert 71; Effizienzklasse A+.
2 Porsche 918 Spyder Kraftstoffverbrauch in l/100 km kombiniert von 3,1 bis 3,0; Stromverbrauch in kWh/100 km kombiniert 12,7; CO2-Emissionen in g/km kombiniert von 72 bis 70; Effizienzklasse A+.